Schritt 3: Sicherheit gewinnen

In den folgenden Abschnitten geht es um das Einüben deines großen Auftritts. Denn dein wundervoller Text verdient eine ebenso tolle Performance, die ihm auch gerecht wird. DU bekommst zunächst einige Tipps zum Üben an sich.  Dann lernst du, wie du am besten an deiner Einstellung, Mimik und Körpersprache arbeiten kannst und dein Lampenfieber unter Kontrolle bekommst.

Deine Einstellung

Die innere Einstellung bestimmt einfach zu einem sehr großen Teil unser Auftreten. Und das, ohne dass wir es selbst merken. Dieses Prinzip können wir uns auch zunutze machen. Wenn wir uns in einen freudigen und selbstsicheren Gemütszustand bringen, können wir es uns sparen, einzelne Mimiken oder Gestiken “auswendig” lernen zu müssen. Diese kommen dann ganz von allein. Und wie kannst du dich in einen positiven Gemütszustand bringen? Eine Möglichkeit dazu sind Affirmationen. Diese funktionieren im Prinzip so, dass du dir einfach immer wieder selbst gut zuredest. Probier einfach aus, ob es für dich funktioniert. Bei vielen sollte es tatsächlich helfen. Die Wirkung wird einem besser klar, wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wahrscheinlich kennst du die Situation, dass du keine guten Leistungen bringen kannst, wenn du dir selbst einredest, dass du zu etwas nicht in der
Lage bist. Egal bei welcher Tätigkeit. Das funktioniert wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Aber es funktioniert eben auch in die andere (positive) Richtung. Du kannst dich also immer wieder selbst bestärken: Du bist positiv. Du wirst das hundertprozentig alles schaffen. Dein Publikum liebt dich sowieso und alle sind deine Fans. Das sollte mit jeder deiner Fasern rüberkommen. Das
Selbstbewusstsein muss spürbar sein.

Organisatorisches

Wann bist du dran?

Es gibt dir schon etwas Sicherheit, wenn du die Rahmenbedingungen der Rede genau kennst. Dann musst du nicht immer in Hab-Acht-Stellung darauf warten, wann du endlich mit deinem großen Auftritt dran sein wirst. Du kennst genau den Zeitpunkt und die Umstände und kannst dich gedanklich darauf einstellen.
Die meisten Reden werden zwischen den Gängen beim Essen gehalten, zum Beispiel könntest du zwischen Vorspeise  und Hauptgang aufstehen. Am besten stimmst du mit den Trauzeugen und dem DJ im Voraus genau ab, wann du deine Rede halten willst. Die Trauzeugen sollten wissen, falls noch jemand anders eine Rede halten will und können dafür sorgen, dass man sich zeitlich nicht in die Quere kommt. Der DJ muss wissen, wann er dir die Bühne bereiten soll: also wann das technische Setup für die Rede fertig sein soll und wann er dich ggf. als Redner ankündigen soll. Es wäre ungünstig, wenn der DJ, als Herr über das technische Equipment, gerade eine Zigarettenpause eingelegt hat, während du eigentlich eine Rede halten willst.

Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Technisches klären

Normalerweise klopft man heutzutage nicht mehr ans Glas. Das Glas nimmst du erst ganz zum Ende in die Hand, wenn du mit den Gästen anstößt. Es reicht normalerweise, wenn du gut sichtbar aufstehst, langsam das Mikrofon in die Hand nimmst und wartest bis die Gespräche abebben. Das Mikrofon sollte dir vom DJ angereicht werden. Du solltest auch mit ihm vorab besprochen haben, dass er die Toneinstellungen im Voraus testet, damit in dem Moment alles reibungslos funktioniert.
Ein ganz anderes “technisches” Problem kann sich ergeben, wenn du zur Unterstützung bei der Rede einen Zettel in der Hand hältst. Wenn du einen Zettel in der einen Hand hältst und in der anderen Hand das Mikrofon: Was machst du dann, wenn für den Toast (der auf dem Zettel steht) auch noch dein Glas in die Hand nehmen musst? Spätestens dann wird es etwas schwierig, alle drei Dinge noch elegant in den Händen zu balancieren. Also falls du unbedingt
ablesen willst, dann solltest du vielleicht zumindest den Toast doch noch auswendig lernen.

Wie lang sollte die Rede sein?

Um dieses Thema noch einmal kurz anzusprechen: Trotz aller Daumenregeln gibt es natürlich keinen starren Zeitrahmen. Zweiminütige Reden können sehr langweilig sein und eine einstündige Rede total spannend. Es kommt, wie immer, darauf an. Aber gerade bei einer Hochzeit favorisieren die Umstände meist eher kurze Reden: Die Leute haben schon andere Reden gehört, sie haben vielleicht Hunger, unterhalten sich auch gerne in der Zeit mit anderen Gästen, möchten noch ein Foto in der Fotobox schießen, und so weiter.

Erst die Übung, dann die Rede…

“Für eine gute, spontane Rede benötige ich mehr als drei Wochen Vorbereitungszeit.” (Mark Twain)
“Ich bereite gerade meine spontane Rede vor.” (Winston Churchill)

Schon Mark Twain und Winston Churchill wussten, dass jede gute Rede eine Menge Vorbereitung benötigt. Was spricht auch gegen eine gründliche Vorbereitung? Manche denken, dass sie lieber bewusst auf Übung verzichten, damit die Rede möglichst natürlich klingt. Das wäre zwar sehr bequem, aber leider wird das kaum funktionieren. Was dabei herauskommt, ist vor allem Gestotter. Im Redemoment wird dir höchstwahrscheinlich doch nicht mehr so viel Originelles einfallen, wie du erst erhofft hast. Wahrscheinlich vergisst du eher noch die Hälfte und das Unheil nimmt seinen Lauf. Es klingt zwar erst einmal paradox, aber gerade wenn du übst, wirst du natürlich und authentisch klingen. Es geht nämlich keinesfalls darum, deine Rede wortwörtlich einzuüben.

Nochmal zur falschen Annahme, dass eine Rede tatsächlich ganz spontan gehalten werden sollte: Wo erreichst du mit Spontanität mehr als mit Übung? In den seltensten Fällen ist das ein Erfolgsfaktor. In anderen Lebenssituationen kämst du auch nicht auf die Idee, dass Spontanität der Vorbereitung überlegen wäre. Denk nur mal an Bewerbungsgespräche oder Wettbewerbe im Sport.

  • Einen langen Text einzuüben ist nicht leicht. Die Aufgabe wird aber dann lösbar, wenn du sie in kleine Teile aufteilst. Beginne einfach ganz am Anfang, ohne darüber nachzudenken, wie viel noch vor dir liegt. Du fängst mit der Begrüßung an. Du wiederholst sie bis sie ganz sicher sitzt. Dann geht es an die Einleitung. Vor jeder zweiten Wiederholung der Einleitung wiederholst du auch zusätzlich die Begrüßung. So geht es immer weiter bis zum Schluss. Die vielen Wiederholungen bewirken, dass du am Ende den Anfang deiner Rede deutlich häufiger durchgesprochen haben wirst, als den hinteren Teil. Das ist genau so gewünscht, denn der Anfang ist mit Abstand am wichtigsten. Wie gesagt: Am Anfang der Rede gewinnst du selbst “Momentum” für deine Rede, die wichtig für dein Selbstbewusstsein ist.
  • Übe auch von Anfang an rhetorische Mittel, wie zum Beispiel stilistische Pausen. Idealerweise schreibst du diese Pausen auch explizit sichtbar in den Text. Presche nicht zu sehr durch den Text. Lass dir besonders vor den Stellen Zeit, an denen du etwas Unerwartetes sagst.
  • Nimm dich selbst auf Video auf. Am besten nimmst auch irgendetwas als Mikrofon-Attrape in die Hand, um die Situation möglichst echt zu gestalten. Danach schaust du dir das Video ganz in Ruhe an und notierst dir, was du noch verbessern möchtest. Die Kamera gibt dir hier ein gnadenlos ehrliches und damit sehr wertvolles Feedback. Die ungeschminkte Wahrheit ist das beste was du bekommen kannst: denn zu dem aktuellen Zeitpunkt kannst du ja noch an deinem Auftritt arbeiten.

Was kannst du noch einüben?

  • Auftreten, Mimik & Gestik: Denke daran, dass selbst alltägliche Geschichten durch einen selbstbewussten und pointierten Vortragsstil extrem unterhaltsam werden können. Der Aufwand beim Üben lohnt sich! Lass also auch beim Üben schon den Blick schweifen und übe den Blickkontakt mit deinem imaginären Publikum. Lächle auch beim Üben und achte auf deine Gestik. Wirkt sie natürlich oder versteift? Was kannst du tun, um den Vortrag etwas aufzulockern?
  • Denke auch daran, das Mikrofon schon beim Üben nah an den Mund zuhalten. Es ist unfassbar wichtig, dass du gut verstanden wirst. Dazu solltest dudas Mikro nah am Mund halten und dort fest arretieren. Bloß nicht mit dem Mikro umherfuchteln. Wie oben bereits erwähnt: Vermeide Multitasking beim Üben.  onzentriere dich in dem einen Übungsdurchgang ausschließlich auf das Vermeiden von Füllwörtern und im nächsten ausschließlich auf die Gestik. Eins nach dem anderen.
  • Auch der Schluss will geübt sein. Übe ein, einen markanten Schluss zu setzen, bei dem dein Publikum eindeutig erkennen kann, dass die Rede nun auch wirklich vorbei ist. Dein Publikum will wissen, wann es zum Applaus ausholen kann. Viele Redner setzen sich auch nach der Rede zu schnell hin. Mach es anders, bleib nach der Rede noch kurz stehen und empfange in aller Ruhe den Applaus.
  • Übe draußen! Bewegung macht es leichter. Geh auf einem einsamen Spazierweg im Wald und rede einfach vor dir her. Nimm dir vor, zehn Kilometer entspannt zu wandern und einfach die ganze Zeit zu reden. Plapper deine Rede rauf und runter. Die ganze Zeit. Das fällt dir in der Bewegung viel leichter und macht deutlich mehr Spaß als zuhause am Schreibtisch. Das Ablenkungspotenzial zuhause hatten wir ja auch schon angesprochen.

Tipps gegen Lampenfieber

Üben

Wenn du die vorangegangen Tipps (Üben) beherzigst, solltest du zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon über ein gesundes Selbstvertrauen verfügen und dir über die Qualität deiner Rede bewusst sein. Übung ist das beste Mittel gegen Lampenfieber: Wenn du richtig textsicher bist wirst du viel selbstsicherer sein.

Rahmenbedingungen

Mach dir die Rahmenbedingungen für Rede klar: Die Rede sitzt einfach, so dass du sie im Schlaf rückwärts runter rattern könntest. Du weißt um ihre Qualität. Allein das reduziert die Nervosität enorm. Außerdem solltest du dir klar machen, welches Publikum da vor dir sitzt. Das sind alles Freunde und Verwandte, die dir sehr wohlgesonnen sind  und nicht im Entferntesten daran denken, irgendwas an dir zu kritisieren.

Akzeptiere Nervosität

Akzeptiere Nervosität als einen Normalzustand vor einer Rede. Auch Profis mit jahrelanger Bühnenerfahrung geht es meistens immer noch so. Versuche aber, dich nicht zu sehr in sie hineinzusteigern, auch indem du die obigen Tipps beherzigst. Mach dir auch klar, dass das Publikum meistens erstaunlich wenig von deiner Nervosität  mitbekommt. Die leicht schwitzigen Hände und der trockene Hals bleiben oft unbemerkt.

Redefluss

Es kann dich in eine gute und positive Stimmung versetzen und dich richtig in einen angenehmen Redefluss bringen, wenn du dich schon vor der Rede mit vielen Leuten unterhältst. Denn dabei lenkst du dich zum einen einfach etwas ab, so dass deine Phantasie gar nicht dazu kommt, irgendwelche Schreckensszenarien für die Rede zu entwerfen.
Andererseits merkst du dadurch schneller, dass die Leute dir wohlgesonnen sind, wenn du mit vielen bereits persönlich gesprochen hast. Dann hast du weniger das Gefühl vor dieser “anonymen Menge” zu stehen und hast automatisch weniger Angst vor der Rede.

Abschließende Worte

Herzlichen Glückwunsch!

Du hast deine Rede ausformuliert, zu Papier gebracht und den Text im Anschluss systematisch aufgewertet. Dabei hast du die Grundprinzipien des Storytellings und des Humors genutzt, wie zum Beispiel Überraschungseffekte und stilistische Pausen. Den letzten Feinschliff hat deine Rede mit ein paar rhetorischen Tricks bekommen. Wenn du den Text auch noch per Video-Aufnahme einübst, steht der erfolgreichen Rede nichts mehr im Wege.

Bleib jetzt einfach am Ball und wiederhole regelmäßig deine Rede bis du schließlich deinen großen Auftritt hast. Diesem solltest du jetzt aber auf jeden Fall mit viel Gelassenheit und Zuversicht entgegen blicken und dich hoffentlich schon etwas darauf freuen.

Viel Erfolg bei deiner Rede und alles Gute!